Die Kinder vom Napf
Alice Schmid, Switzerland, 2011o
50 mountain farmers' children, 10 km to school, a childhood in the heart of Switzerland. The story takes us from farm to farm into an isolated, but also secure life. Through the eyes of the children we experience firsthand what it means when suddenly the wolf appears or the hawk takes the chickens or how the children face the moods of the weather.
Alice Schmid gelingt mit ihrem Film ein kleines Wunder: Indem sie ausschliesslich Kinder erzählen lässt, wird das Publikum gleichsam zum Kind unter Kindern und staunt über Alltägliches. Ein bezaubernder, ruhiger Film, getragen vom Rhythmus der Jahreszeiten.
jstEin wunderbarer Film, der an den französischen Grosserfolg ETRE ET AVOIR erinnert. Genauso berührend, ergreifend und bezaubernd. Eine Liebeserklärung an eine Landschaft und ein schlichtes, stimmiges Plädoyer für eine beseeltere Kindheit. Inklusive der kleinen Laura als heimlicher Star.
o.A.Galleryo
Der Dokumentarfilm «Die Kinder vom Napf» zeigt ein Idyll, das wie aus der Zeit gefallen scheint.
Drei Lichtlein wackeln durch die Finsternis, Knirschen und Keuchen deuten darauf hin, dass hier wohl jemand durch den Schnee stapft. Es sind Bergbauernkinder aus dem Einzugsgebiet der Schulgemeinde Romoos, die frühmorgens mit Stirn- und Taschenlampen bis zu 10 Kilometer Schulweg absolvieren, einen Teil immerhin mit Seilbähnchen und Schulbus.
In der Gondel erzählt eins der Kinder, wie einmal der Herger Pauli zu früh aus dem Bähnli stieg und in einer Baumkrone landete. Es ist eine von vielen Anekdoten und Lebensweisheiten, die die Kinder vom Napf der Filmerin zu berichten wissen.
Wie man sich vor dem Blitz schützt, wie die Seelen böser Landvögte im Änziloch den Donner entstehen lassen, wie die Saugnäpfe der Melkmaschine bei Stromunterbruch reihenweise von den Zitzen abfallen oder der Wolf statt sich an einem Schaf satt zu fressen immer gleich mehrere anknabbert - das und noch viel mehr wissen diese Kinder.
Kein Game-Boy, kein Gschlegel
Da geht dem Städter das Herz auf: Statt Demo ein Triichler-Umzug, statt Rave ein lüpfiges Tänzchen im Trachtenverein, statt Prügelei ein Hoselupf nach allen Regeln der Kunst. In der ganzen Schule gibt es nur ein Kind mit Migrationshintergrund und das Einzige im Film, was entfernt an Unterhaltungselektronik erinnert, ist ein Radio aus den 1950er Jahren.
Überhaupt die Freizeitgestaltung! Da wird mit dem Spielzeugtraktor der Wegrand gemäht, werden Bierdeckel und anderer Müll von Naherholungs-Touristen aufgesammelt, weil man sonst «wieder eine Kuh metzgen muss», wenn der Plunder ins Heu gerät. Ein Bub demonstriert, wie man heutzutage Schermäuse fängt, ein anderer, wie man Kohle herstellt.
Ein bisschen nachgeholfen
Natürlich wirkt das nicht immer ganz natürlich. Gesungen wird beispielsweise nicht irgendetwas, sondern gezielt «We me bi de Buure isch, do het mes gibi gäbi guet». Und im Unterricht werden die Abwanderung besprochen und Gegenmassnahmen gesucht.
«Man sollte Romoos etwas berühmter machen, wie Hollywood» schlägt ein Mädchen nicht ganz unpassend vor - schliesslich hatte der bekannte Regisseur Bernhard Wicki (»Die Brücke») das Romooser Bürgerrecht.
So berühmt wie Hollywood wird Alice Schmids Film Romoos nicht machen. Allerdings wäre es nicht verwunderlich, wenn ein paar Schaulustige mehr - angeregt durch den Film - ins Napfgebiet reisen (bitte keine Bierdeckel wegwerfen).
Die Infrastruktur für etwas Tourismus ist vorhanden, wie es in einem Englisch-Aufsatz heisst: «Romoos is super. There are one bakery, four restaurants, one postoffice, one school».
Die Dokumentarfilmerin Alice Schmid zeigt Naturgewalten und Alltag des Napfgebietes aus der Sicht der Protagonisten.
Es ist noch finstere Nacht; Kinder stapfen durch eisige Kälte und tiefen Schnee. Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen ertasten den Weg zwischen Schneewänden und Abgrund. Endlich gelangen sie zur winzigen Seilbahn, die sie nach Romoos bringen wird. In der Morgendämmerung erreichen sie schliesslich das dortige Schulhaus.
Schon in der ersten Sequenz begibt sich die Kamera von Alice Schmid auf Augenhöhe der Kinder. Unaufgeregt und mit zärtlichem Einfühlungsvermögen begleitet sie die Knirpse und führt das Publikum mit jedem Bild tiefer in deren Alltag. Dabei verzichtet die Regisseurin auf jeglichen Kommentar und lässt stattdessen einfach die Kinder erzählen: «Im Änziloch entstehen die Gewitter. Die Talherren müssen Steine hochstossen, immer wenn sie fast oben sind, fallen die Steine wieder runter. Das ist der Donner.»
So nimmt der Film die Zuschauer an der Hand und führt sie durch 365 Tage auf dem Napf. Sie erleben – wie Kinder unter anderen Kindern – die vier Jahreszeiten. Vom Guetslibacken im Advent, von der Geburt eines Kalbes im Frühling, der Mäusejagd im Sommer bis zum ersten Schnee im folgenden Herbst; die Bilder riechen förmlich nach feuchter Erde oder trockenem Stroh.
Seit ihrer ersten Fernsehreportage von 1993 hat sich Alice Schmid immer den Kindern gewidmet. Nach 20 Jahren Dreharbeiten in Afrika, Asien und Südamerika hat sie sich nun endlich einen alten Wunsch erfüllt und einen Kinofilm über das Napfgebiet gedreht; einen Film, der uns wie mit Kinderaugen staunen lässt. Was kann man vom Kino mehr verlangen?